Schober, geb. Tomaschek, Rita

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Rita Schober geb. Tomaschek (13.6.1918 Rumburg [heute Rumburk, Tschechien] – 26.12.2012 Berlin); Tochter eines Angestellten u. einer Schneiderin

Verf. Frank-Rutger Hausmann

Romanische Philologie, bes. französische Literaturwissenschaft

1928-36 Realgymn.; 1936-38 u. 1944/45 Stud. Klass. Philol. u. Rom. DtU Prag; Okt. 1940-43 u. Dez. 1944-Dez. 1945 Aushilfslehrerin Warnsdorf; März 1945 Prom. (Erhard Preißig) Prag; 1946-51 Stud. MLU Halle a. S.; 1951 Wiss. Assist.in (Victor Klemperer) u. Studiendekanin, mit Dozentur beauftragt; 1951/52 Hauptref.in f. Sprachen im Staatssekretariat f. Hochschulwesen, Berlin; 1954 Habil. Halle a. S.; 1957 o. Prof.in HU-Berlin; 1969-75 Dekanin; 1978 em.; 1988 Dr. phil. h. c. HU-Berlin.

1964 VVO in Bronze; 1968 VVO in Silber; 1978 VVO in Gold; 1972 Nationalpreis der DDR.

1969 o. Mitgl. d. Dt. Akad. d. Wiss. Berlin; 1974 Mitgl. d. Exekutivrats d. UNESCO; 1975 Vorsitzende des Nationalkomitees f. Literaturwiss. d. Akad. f. Wiss.en der DDR u. Mitgl. d. Präsidiums d. PEN-Zentrums d. DDR; 1988 Gründungsmitgl. d. Leibniz-Sozietät d. Wiss. in Berlin.

Mithrsg. Beiträge zur Romanischen Philologie, 1961f.

Realismus u. literarische Kommunikation: dem Wirken Rita Schobers gewidmet; [Ansprache u. Vorträge, d. am 16. Juni 1983 auf d. von d. Klasse Gesellschaftswiss. II zu Ehren d. Ordentl. Mitgliedes Rita Schober anlässl. ihres 65. Geburtstages veranst. wiss. Kolloquiums gehalten wurden], Berlin 1984; Geschichte u. Text in der Literatur Frankreichs, der Romania u. der Literaturwissenschaft: Rita Schober zum 80. Geburtstag. Hrsg. v. Hans-Otto Dill, Berlin 2000; Leibniztag 2008; 2: Festveranstaltung zum 90. Geburtstag von Rita Schober, mit Beitr. v. Wolfgang Klein, Berlin 2008.

R. Sch., „Vom Aufbau der Romanistik an der Humboldt-Universität in schwieriger Zeit“, in: Romanistik als Passion 2, 2011, 339-389 (Auswahl-Bibl.; P).

Das Suffix -age, Prag 1945, masch. (Diss.); Émile Zolas Theorie des naturalistischen Romans u. das Problem des Realismus, Berlin 1954, masch. (Habil.-Schr.);' Schlußredaktion der Übersetzung u. Nachworte zu: Émile Zola, Die Rougon-Macquart, 20 Bde., Berlin 1972-76; Skizzen zur Literaturtheorie, Berlin 1956; „Im Banne der Sprache“. Strukturalismus in der Nouvelle Critique, speziell bei Roland Barthes, Halle a. S. 1968; Von der wirklichen Welt in der Dichtung: Aufsätze zu Theorie u. Praxis des Realismus in der französischen Literatur, Berlin-Weimar 1970; Abbild, Sinnbild, Wertung Aufsätze zur Theorie u. Praxis literarischer Kommunikation, Berlin-Weimar 1982; Louis Aragon: Von der Suche der Dichtung nach Erkenntnis der Welt, Berlin 1985; Vom Sinn oder Unsinn der Literaturwissenschaft. Essays, Halle-Leipzig 1988; Auf dem Prüfstand. Zola-Houellebecq-Klemperer, Berlin 2003.

„Wie im Fall eines ,Zola réaliste malgré lui‘ ging es Rita Schober – eine ,zolienne malgré elle‘? – auch in anderen Bereichen und vor allem in ihren umfangreichen literaturtheoretischen Arbeiten darum, das ‚bürgerliche‘ Erbe in die neue sozialistische Lebensordnung und die Prämissen des dialektischen Materialismus einzubringen, dem sich die katholisch erzogene Sudetendeutsche fortan aus Überzeugung verpflichtet fühlte. Seit den Skizzen zur Literaturtheorie (Berlin 1956) steht daher die Suche nach einem tragfähigen Realismuskonzept im Zentrum ihrer Forschung. Dem trug u.a. auch das zu ihrem 65. Geburtstag 1983 veranstaltete Kolloquium Realismus und literarische Kommunikation (Berlin 1984) Rechnung. Bezeichnenderweise trägt die Realismusdiskussion Rita Schobers auch die Züge einer versuchten ‚Versöhnung‘, indem der Realismusbegriff auf die werthaltige ‚Umsetzung‘ lebensweltlicher und historischer Erfahrung verweist, Literatur als ‚Sinnproduzent‘ begriffen wird und Gattungs- und Stilzwänge als ‚Material‘ zur Wiedergabe eines ‚allgemein menschlichen Inhalts‘ dienen: mit dem Titel ihres schönen Buches Louis Aragon. Von der Suche der Dichtung nach Erkenntnis der Welt (Berlin 1985). Schon der frühe, in vieler Hinsicht charakteristische Habilvortrag über die Lais der Marie de France begreift die ,verinnerlichende Umsetzung‘ höfischer Konventionen als Suche nach der Wirklichkeit. Immer geht es, wie es ein Buch von 1970 postuliert, um ,die wirkliche Welt in der Dichtung‘ (Von der wirklichen Welt in der Dichtung, Berlin). Oder mit den Termini des 1989 veröffentlichten Sammelbandes Abbild, Sinnbild, Wertung: Aus dem ,Abbild‘ wird das ,Sinnbild‘, das erst ,Wertung‘ voraussetzt und ermöglicht. In ihrer schönen Rezension des Buches (in der Romanistischen Zeitschrift für Literaturgeschichte) spricht Renate Kroll 1986 von ,einem überregionalen, überzeitlichen, allumfassenden Humanismus‘; auch dies, wie der Aufsatz ,Sprache – Kultur – Humanismus. Victor Klemperer zum Gedenken‘ (1982) zeigt, letztlich ein Vermächtnis des großen Lehrers (Vom Sinn und Unsinn der Literaturwissenschaft, Leipzig 1988). Mit den avancierten Theorien des Westens, besonders Roland Barthes und dem Strukturalismus und der Rezeptionstheorie der von Hans Robert Jauß inszenierten Konstanzer Schule, trat die Autorin schon früh in einen langen kontroversen Dialog ein, der sich in der programmatischen Publikation Im Banne der Sprache. Strukturalismus in der Nouvelle Critique, speziell bei Roland Barthes (Halle/Saale 1968) niederschlug. Die aktuellen Vorstellungen von Autoreflexivität mussten ebenso wie die These der geschichtlichen Relativität der Text-Leser-Beziehung notwendig mit einer verbindlich referenziellen und werthaft begründeten Haltung kollidieren. Die kritischen und oft noch immer bedenkenswerten Ausführungen Rita Schobers zeigen aber, wie sehr sie sich durch solche neuen Richtungen der Literaturkritik herausgefordert fühlte, aber auch wie sehr Kritik hier zugleich Anregung, ja Aneignung im Hinblick auf eine Perspektive der möglichen Versöhnung impliziert“ (Wolfzettel, 2012,110-111).

Gabriele Baumgartner / Dieter Hebig (Hrsg.), Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 1945-1990, München [u. a.], 1996, 2, 803; Rainer Barth, in: Wer war wer in der DDR?, Berlin 52010, 2 (online); Heintze, Erinnerungen, 2011; Wolfgang Klein, „Agieren mit Autoren aus Frankreich: Rita Schober und Manfred Naumann“, in: France-Allemagne, 2012, 247-260; „Zum Gedenken an Rita Schober“, lendemains Jg. 38, H. 149, 2013 (Beiträge von Wolfgang Asholt, „Einleitung“, 96-97; Horst Heintze, „Erinnerungen an Rita Schober“, 97-106; Friedrich Wolfzettel, „Erinnerung u. Nachruf“, 107-111; Rita Schober, „Zwei Moskau-Besuche“, 112-124).