Suchier, Hermann Heinrich Ludwig
Hermann Heinrich Ludwig Suchier (11.12.1848 Karlshafen a. d. Weser – 3. od. 4.7.1914 Halle); Sohn von Henri-Soisjuste Suchier, Kaufmann u. kurhessischer Landtagsabgeordneter aus hugenottischer Pastorenfamilie
Verf. | Frank-Rutger Hausmann |
Romanische Philologie, bes. altfranzösische u. altprovenzalische Texteditionen
1854-62 Kandidatenschule Karlshafen; 1862-66 Gymn. Rinteln; 1862 Abitur; 1862-68 Stud. Neuere Sprachen, Germ., Sanskrit, Vgl. Sprachwiss. Marburg, Leipzig (Friedrich Zarncke; Adolf Ebert); Parisreise zum Handschriftenstudium; 1870/71 Teilnahme am Deutsch-franz. Krieg; 27.7.1881 Prom. (Friedrich Zarncke) Leipzig; 1871/72 Forts. d. Studiums Marburg; Nov. 1872 1. StE. Marburg; 12.2.1873 Habil. (Edmund Stengel) Marburg; 1873-74 PDoz. Marburg; 15.10.1874 ao. Prof. Zürich; 15.3.1875 o. Prof. Münster; 19.8.1876 o. Prof. Halle a. S.; abgelehnte Rufe Straßburg (1880) u. Leipzig (1890); wiederholt Dekan; 1901/02 Rektor Halle; 2.12.1906 GehRR.; 1.4.1913 em.
RAO 3. Kl.; Kronen-Orden 3. Kl.; Palmes d’Officier de l’Acad. Française.
Hrsg. Bibliotheca normannica, 1879-1911.
Korr. Mitgl. d. Ges. d. Wiss. bzw. Akad. in Barcelona, Brüssel, Dorpat, Erfurt, Madrid, Montpellier; Ehrenmitgl. mehrerer neusprachl. Vereine sowie der provenz. Félibrige.
Forschungen zur romanischen Philologie. Festgabe für Hermann Suchier zum 15. März 1900, Halle a. S. 1900.
Über das niederrheinische Bruchstück der Schlacht bei Alleschanz, Wien 1871 (Diss.); Aucassin u. Nicolette: neu nach der Handschrift mit Paradigmen u. Glossar, Paderborn 1878 (immer wieder aufgelegt); Über die Quelle Ulrichs von dem Türlin u. die älteste Gestalt der prise d’Orange, Paderborn 1883 (Habil.-Schr.); Denkmäler provenzalischer Literatur u. Sprache. Zum ersten Male hrsg., 2 Bde., Halle a. S. 1883; Altfranzösische Grammatik, 2 Bde., Halle a. S. 1893; Geschichte der französischen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, 2 Bde., Leipzig 1913.
„Wie jene ganze Generation, die die von der klassischen Philologie und der Germanistik übernommene philologisch-historische Methode auf entsprechende Stoffgebiete aus dem Bereich der romanischen Kulturen zu übertragen begann, hat auch H.S., wenigstens in seinen jüngeren Jahren, seine wissenschaftliche Tätigkeit fast ausschließlich auf das Mittelalter gerichtet, das in erster Linie derartige Stoffe bot und auch als Ausgangspunkt einer entwicklungsgeschichtlichen Betrachtung in den Vordergrund gerückt war. Innerhalb des dadurch gezogenen Rahmens erscheinen als eigentliches Feld seiner Betätigung Textkritik- und –interpretation; daß hier dringende Aufgaben zu lösen waren, ersieht man aus der Tatsache, daß zu Anfang der siebziger Jahre, wo die Arbeit von H.S. einsetzt, außer etwa Bartschs Romanzen und Pastourellen (1870) und Vie de saint Alexis von G. Paris (1872) keine nach streng wissenschaftlichen Gesichtspunkten hergestellte Ausgaben romanischer Texte vorlagen. […]Von einzelnen Handschriften oder Texten gehen auch einige der Arbeiten aus, die H.S. zur Sprachgeschichte beigesteuert hat, und wobei neben den Artikeln in Zeitschriften auch die Einleitungen oder sonstigen Beigaben zu seinen oben genannten Textausgaben in Betracht kommen. Auch hier tritt daher das Altfranzösische in den Vordergrund, daneben spielt noch das Provenzalische eine Rolle. […]
Der wichtigste seiner Beiträge zur historischen Lautlehre liegt in der Altfranzösischen Grammatik […] vor, die aus einer Vorlesung erwachsen, aber leider nicht über die erste Lieferung, die betonten Vokale der Schriftsprache behandelnd, hinausgelangt ist. […]
Durch mehrere grundlegende Studien hat H.S. im besonderen noch die Geschichte der Mundarten gefördert. So bringt die Untersuchung über die Vie de Saint Auban […] einen ersten tiefer gehenden Vorstoß zur Erforschung des bis dahin kaum näher beachteten Anglonormannischen, besonders auf dem Gebiet der Lautlehre und des Versbaus; die Dialektuntersuchung des Aucassin […] stellt erstmalig die charakteristischen Züge des Pikardischen einigermaßen vollständig zusammen […], und die Einleitung zur Ausgabe der Reimpredigt […] erschließt die ,normannische‘ Schriftsprache, die wohl jetzt gewöhnlich ,altfranzisch‘ genannt wird“ (Suchier, 1938/39, 257-258; 260-261).
HSchA Nr. 11404-11431; KrJb 9, 1909, IV 13-17 (C. Voretzsch); Eduard Wechßler, GRM 8, 1920, 239-248; Karl Voretzsch, Mitteldeutsche Lebensbilder 5, 1930, 538-554; Voretzsch, Das Romanische Seminar der vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg im ersten Halbjahrhundert seines Bestehens, Halle 1926 (P); Walther Suchier, Lebensbilder aus Kurhessen u. Waldeck 1, 1939, 258-260; Ders., ZfSL 62, 1938/39, 257-265 (Schrift.-Verz. 265-294); Gundlach, Catalogus professorum academiae narburgensis, 1927, 408; Hillen, Wegbereiter, 1993, 518, bes. 239-241; Haenicke / Finkenstaedt, Anglistenlexikon, 1992, 322-323; Ridoux, Evolution, 2001, 1169, bes. 461-462; Trachsler, Bartsch, Foerster et Cie, 2013, 299; catalogus professorum halensis (online) (P).