Haas, Joseph: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Romanistenlexikon
Wechseln zu: Navigation, Suche
 
Zeile 15: Zeile 15:
 
<blockquote>„Joseph Haas, der in Tübingen, wo ich den größeren Teil meines Studiums absolvierte, französische Literatur lehrte, war wohl kein eigentlicher Schwabe; er stammte aus dem Badischen. Haas war in allem Vosslers Gegenteil. Ein kühnes und glanzvolles wissenschaftliches Buch wie Vosslers ,Frankreichs Kultur im Spiegel seiner Sprachentwicklung‘ hielt er für Dichtung. Als begeisterter Vossler-Schüler geriet ich gleich im ersten Seminar, das ich belegte, in eine schwere Kontroverse mit ihm. Am nächsten Tag lud er mich ein, in seinem Haus zu wohnen. Es sei Platz da, sagte er, das Zimmer eines im Krieg gefallenen Sohnes stehe leer. […] Auf vielen Spaziergängen über den Osterberg, auf dem sein Haus stand, brachte er mir bei, was er unter Wissenschaft verstand. Von ihm lernte ich Methode. Ich lernte, an jeder Behauptung zu zweifeln, meinen eigenen Worten nicht zu trauen, mich der Beweisbarkeit oder zum mindesten der Begründbarkeit dessen, was ich sagte, zu versichern, logisch zu schließen, rational zu argumentieren und danach zu trachten, die Fakten auf meiner Seite zu haben. Aus dem geduldigen Lehrer wurde ein väterlicher Freund; es war eine Freundschaft, die, über die Studienzeit hinaus, bis zu seinem Tode dauerte. Später half uns seine in Amerika verheiratete Tochter dort die ersten Schritte tun“ (Blume, 1985, 97-98)
 
<blockquote>„Joseph Haas, der in Tübingen, wo ich den größeren Teil meines Studiums absolvierte, französische Literatur lehrte, war wohl kein eigentlicher Schwabe; er stammte aus dem Badischen. Haas war in allem Vosslers Gegenteil. Ein kühnes und glanzvolles wissenschaftliches Buch wie Vosslers ,Frankreichs Kultur im Spiegel seiner Sprachentwicklung‘ hielt er für Dichtung. Als begeisterter Vossler-Schüler geriet ich gleich im ersten Seminar, das ich belegte, in eine schwere Kontroverse mit ihm. Am nächsten Tag lud er mich ein, in seinem Haus zu wohnen. Es sei Platz da, sagte er, das Zimmer eines im Krieg gefallenen Sohnes stehe leer. […] Auf vielen Spaziergängen über den Osterberg, auf dem sein Haus stand, brachte er mir bei, was er unter Wissenschaft verstand. Von ihm lernte ich Methode. Ich lernte, an jeder Behauptung zu zweifeln, meinen eigenen Worten nicht zu trauen, mich der Beweisbarkeit oder zum mindesten der Begründbarkeit dessen, was ich sagte, zu versichern, logisch zu schließen, rational zu argumentieren und danach zu trachten, die Fakten auf meiner Seite zu haben. Aus dem geduldigen Lehrer wurde ein väterlicher Freund; es war eine Freundschaft, die, über die Studienzeit hinaus, bis zu seinem Tode dauerte. Später half uns seine in Amerika verheiratete Tochter dort die ersten Schritte tun“ (Blume, 1985, 97-98)
 
</blockquote>
 
</blockquote>
Bernhard Blume, Narziß mit Brille. Kapitel einer Autobiographie, Heidelberg 1985; Kalkhoff, Romanische Philologie, 2010, 285; Tübingen, UA PA 126/233.
+
Tübingen, UA PA 126/233; Bernhard Blume, Narziß mit Brille. Kapitel einer Autobiographie, Heidelberg 1985; Kalkhoff, Romanische Philologie, 2010, 285.
  
 
[[Kategorie:Romanist]]
 
[[Kategorie:Romanist]]
 
[[Kategorie:Mann]]
 
[[Kategorie:Mann]]
 
[[Kategorie:Romanische Philologie]]
 
[[Kategorie:Romanische Philologie]]

Aktuelle Version vom 10. Mai 2016, 08:39 Uhr

Joseph (Josef) Haas (15.8.1863 Moulins, Allier – 12.7.1929 Rottweil); Sohn des Uhrmachers Adolf Haas in Moulins

Verf. Frank-Rutger Hausmann

Romanische Philologie

Lycée Moulins (bis 1877); 1877-80 Höhere Bürgerschule Freiburg i. Br.; 1881-83 Gymn. Freiburg i. Br.; 1883-87 Stud. Neuere Sprachen Freiburg, Bonn u. Heidelberg; 1889 Prom. (Fritz Neumann) Freiburg i. Br.; 1889-95 LA-Praktikant Mannheim, Bruchsal u. Freiburg i. Br.; 23.3.1895-11.9.1904 Prof. a. d. Höheren Mädchenschule Freiburg i. Br.; 11.9.1904-1.4.1910 Professor am Friedrichsgymn. Freiburg i. Br.; 11.9.1904-1.4.1910 LA f. Neufranz. Sprache u. Lit. U Freiburg i. Br.; 1.10.1910-26 o. Prof. Tübingen (Nachf. v. Karl Voretzsch).

1914 Badische Jubliäumsdenkmünze.

Zur Geschichte des l vor folgendem Consonanten im Nordfranzösischen, Würzburg 1889 (Diss.); Neufranz. Syntax, Halle a. S. 1909; Frankreich. Land und Staat, Heidelberg 1910; Grundlagen der französischen Syntax, Halle a. S. 1912; H. Balzacs scènes de la vie privée von 1830, Halle a. S. 1912; Abriss der franz. Syntax, Halle a. S. 1922; Kurzgefasste französische Literaturgeschichte von 1549-1900, 4 Teile, Halle a. S. 1924-27.

„Joseph Haas, der in Tübingen, wo ich den größeren Teil meines Studiums absolvierte, französische Literatur lehrte, war wohl kein eigentlicher Schwabe; er stammte aus dem Badischen. Haas war in allem Vosslers Gegenteil. Ein kühnes und glanzvolles wissenschaftliches Buch wie Vosslers ,Frankreichs Kultur im Spiegel seiner Sprachentwicklung‘ hielt er für Dichtung. Als begeisterter Vossler-Schüler geriet ich gleich im ersten Seminar, das ich belegte, in eine schwere Kontroverse mit ihm. Am nächsten Tag lud er mich ein, in seinem Haus zu wohnen. Es sei Platz da, sagte er, das Zimmer eines im Krieg gefallenen Sohnes stehe leer. […] Auf vielen Spaziergängen über den Osterberg, auf dem sein Haus stand, brachte er mir bei, was er unter Wissenschaft verstand. Von ihm lernte ich Methode. Ich lernte, an jeder Behauptung zu zweifeln, meinen eigenen Worten nicht zu trauen, mich der Beweisbarkeit oder zum mindesten der Begründbarkeit dessen, was ich sagte, zu versichern, logisch zu schließen, rational zu argumentieren und danach zu trachten, die Fakten auf meiner Seite zu haben. Aus dem geduldigen Lehrer wurde ein väterlicher Freund; es war eine Freundschaft, die, über die Studienzeit hinaus, bis zu seinem Tode dauerte. Später half uns seine in Amerika verheiratete Tochter dort die ersten Schritte tun“ (Blume, 1985, 97-98)

Tübingen, UA PA 126/233; Bernhard Blume, Narziß mit Brille. Kapitel einer Autobiographie, Heidelberg 1985; Kalkhoff, Romanische Philologie, 2010, 285.