Wolf, Ferdinand Josef

Aus Romanistenlexikon
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Ferdinand Josef Wolf (8.12.1796 Wien – 18.2.1866 Wien)

Verf. Frank-Rutger Hausmann

Romanische Philologie; Bibliothekswesen

Akad. Gymn. Wien u. Gymn. Graz; Stud. Philos. u. Rechtswiss. Graz; Stud. Literaturwiss. Wien; 1819 Skriptor Wiener Hofbibl.; Kustos; 1847 Mitbegr. Akad. d. Wiss. Wien.

Mithrsg. Jb. f. romanische u. englische Literatur.

Über die neuesten Leistungen der Franzosen für die Herausgabe ihrer National-Heldengedichte, Wien 1833; Floresta de rimas modernas castellanas, 2 Bde., Paris 1837; Über die Lais, Sequenzen u. Leiche, Heidelberg 1841; Rosa de romances, Leipzig 1846; Über eine Sammlung spanischer Romanzen in fliegenden Blättern auf der Universitätsbibliothek zu Prag, Wien 1850; Studien zur Geschichte der spanischen u. portugiesischen Nationalliteratur, Berlin 1859; Le Brésil littéraire. Histoire de la littérature brésilienne, Berlin 1863.

„W. war, wie man sieht, in erster Linie Litterarhistoriker, nicht Linguist: die Erscheinung des Litteraturdenkmals an sich, seine Entstehungsbedingungen und sein Verhältniß in nationaler Beziehung waren Hauptgegenstände seiner Untersuchung. Gleichwol hat er den Werth sprachwissenschaftlicher Forschung voll gewürdigt und das Idiom war ihm stets mehr als Mittel zum Zweck; das beweisen seine zahlreichen feinen Beobachtungen auf sprachlichem Gebiete und nicht zuletzt die Begeisterung, mit der er Diez’ ,Etymologisches Wörterbuch der romanischen Sprachen‘ begrüßte. Die Form seiner Darstellung wird nicht allein durch das Wohlwollen für die Leistungen seiner Mitforscher, sondern auch durch das Streben, seiner Untersuchung eine klar faßliche und gefällige Gestalt zu geben, gekennzeichnet; nur selten ringt seine Diction mit dem Gegenstand, wie z.B. in dem Buche über die Lais, in dessen Eingange er gesteht, daß er hier wiederholt die Form der Sache zum Opfer bringen mußte. Im Zusammenhang mit dem Wunsche, allgemein verständlich zu sein, und für den Gegenstand seiner Studien auch weitere Kreise zu interessiren, steht seine Betheiligung an der Ausgabe des Conversationslexikon von Brockhaus und an der Realencyklopädie von Ersch und Gruber. Dem Bedürfniß, zu fördern, mitzutheilen und das Erworbene anderen zugute kommen zu lassen, trug er natürlich in erster Linie bei Ausübung seiner amtlichen Thätigkeit Rechnung. Er war auch in dieser Beziehung eine Zierde der k. k. Hofbibliothek in Wien, deren Besucher im Lobe des still bescheidenen, liebenswürdigen und stets zuvorkommenden Gelehrten einig waren. Die k. k. Hofbibliothek bewahrt auch einen Theil seines handschriftlichen Nachlasses; im Codex Nr. 14 547 das deutsche Original: ,Geschichte der brasilischen Nationallitteratur‘, des oben erwähnten Werkes: Le Brésil littéraire; im Codex Nr. 15 110 eine Reihe von Excerpten: ,Zur Geschichte des Ritterwesens I‘, einen Gegenstand, den W. wahrscheinlich eingehender behandeln wollte. Fünf Foliobände (Cod. Nr. 14671-14675) enthalten eine von W. veranlaßte Sammlung von Urkunden, betreffend den Aufstand der spanischen Comunidades gegen Karl V., Copien aus dem Archivo general zu Simancas und aus dem Archivo de la Real Academia de la Historia zu Madrid. W. hatte sich, wie Ebert […] mittheilt, schon längere Zeit mit dem Plane getragen, ,die Geschichte des Städteaufstandes in Spanien‘ zu schreiben, und das Jahr 1848 hatte ihn neuerlich lebhaft auf den Gegenstand zurückgeführt; seine Absicht ist jedoch unausgeführt geblieben“ (Beer, 1898, 736).

Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich 57, 1889, 273-282; Rudolf Beer, ADB 43, 1898, 729-737; Mair, „Romanistik in Österreich“, 2003, 261; Dietrich Briesemeister, „Die Brasilienstudien in Deutschland“ (online).