Olschki, Leonardo

Aus Romanistenlexikon
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Leonardo Olschki (15.7.1885 Verona – 7.12.1961 Berkeley, CA); Sohn des Verlegers Leo Samuel Olschki (1861–1940); verh. mit Käte Mosse, der Großnichte des Verlegers Rudolf Mosse u. Tocher des Mediziners Max Mosse

Verf. Frank-Rutger Hausmann

Romanische Philologie, bes. Italienische Sprache u. Literatur; literarisch-geographische Forschungen zum Mittelalter u. der Renaissance; Geschichte der wissenschaftlichen Prosa; chinesische Lyrik, Sinologie

1903 Stud. Rom. u. Germ. Florenz, Rom, München, Straßburg, Heidelberg; 1.12.1908 Prom. (Karl Vossler) Heidelberg; 1908–09 Lektor f. Ital. Freiburg i. Br.; 1909–10 Lektor HH Mannheim; 1912 Lektor TH Darmstadt; 21.6.1913 Habil. (Fritz Neumann) Heidelberg; 1915 PDoz.; 4.9.1918 ao. Prof. Heidelberg; 18.1.1924 persönl. Ordinariat; 1.5.1930 o. Prof. u. Direktor Rom. Sem. Heidelberg (Nachf. v. Ernst Robert Curtius); 1932–38 GProf. Rom; 12.8.1933 aus rass. Gründen i. R.; 1939 Lecturer Johns-Hopkins-Univ. Baltimore, MD; 1940–41 Sweet Briar Coll. „Substitute teacher of Spanish“; 1941–42 Privatgelehrter in Cambridge, MA; 1942–43 Harvard Univ.; 1943–44 „Teacher“ im Army language training program, Eugene, OR; 1944 „Research associate“ am Dpt. of Oriental Languages, Berkeley, CA; 1949 Lecturer; 1944–49 Mitgl. des Colloquium Orientologicum; 1950–55 intensives Studium d. Chinesischen; 1950 „Loyalty Oath“ (Distanzierung vom Kommunismus) verweigert, Entlassung; Aufenthalt in Italien; 1952 wieder eingestellt, nachdem der Supreme Court of California d. Eid für nicht verfassungskonform erklärt hat; 28.9.1952 Zuerkennung d. Rechte eines deutschen Emeritus mit Wirkung vom 1.10.1953.

Mitgl. Accademia Nazionale dei Lincei, Rom; Commendatore dell’Ordine al Merito della Repubblica Italiana.

Oriens. Zeitschrift f. Orientforschung X, 1957, XI, 1958 (FS).

G. B. Guarinis Pastor Fido in Deutschland. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des 17. u. 18. Jahrhunderts, Leipzig 1908 (Diss.); Der ideale Mittelpunkt Frankreichs im Mittelalter in Wirklichkeit u. Dichtung, Heidelberg 1913 (Habil.-Schr.); Paris nach den altfranzösischen nationalen Epen. Topographie, Stadtgeschichte u. lokale Sagen, Heidelberg 1913 (Antrittsvorl.); Dante Alighieri, La Divina Commedia. Vollst. Text, mit Erläuterungen, Grammatik, Glossar u. 7 Tafeln, Heidelberg 1918, 21922; Geschichte der neusprachlichen wissenschaftlichen Literatur, 3 Bde., Heidelberg 1919 (Bd. 1), Florenz 1922 (Bd. 2), Halle a. S. 1927 (Bd. 3); Struttura spirituale e linguistica del mondo neolatino, Bari 1935; Storia letteraria delle scoperte geografiche. Studi e ricerche, Florenz 1937; The Genius of Italy, New York 1949, dt. Italien, Genius und Geschichte, Darmstadt 1958 (auch ital.); The myth of Felt, Berkeley-Los Angeles 1949; L’Asia di Marco Polo. Introduzione alla lettura e allo studio del „Milione“, Venezia-Roma 1951; Dante „Poeta veltro“, Firenze 1953; Il castello del Re Pescatore e i suoi misteri nel „Conte del Graal“ di Chrétien de Troyes, Roma 1961; engl. 1966.

„Olschki war sich zweifellos des Faktums bewußt, daß die Originalität seiner Methode, kulturelle Erscheinungen und Entwicklungen von einem übergeordneten Gesichtspunkt aus in einen erkenntnisfördernden Zusammenhang zu bringen – sich also nicht auf das ,Dokumentesammeln‘ und das ,bloße Wiedererzählen von Tatsachen und Geschehnissen‘ zu beschränken – im Bereich der Romanistik ebensowenig erkannt wurde wie in dem der Geschichtsforschung. Ein Beharren auf dem eingeschlagenen Wege wurde vor allem aber durch die aus rassistischen Gründen erfolgte Vertreibung aus Deutschland […] vereitelt. In der Folgezeit wendet sich der zweimal Entwurzelte einem Gegenstandsbereich zu, der geeignet erscheint, in einem veränderten wissenschaftlichen Ambiente Aufmerksamkeit zu finden, hält allerdings auch weiterhin am Prinzip seines Fragens und Forschens fest. An Hand eines wiederum anderen Typs von Schrifttum, der ,Gattung‘ von Literatur, welche die Berichte und Erzählungen von Reisenden und Entdeckern umfaßt, versucht er aufzuzeigen, wie Fremdes und Unbekanntes zunächst auf Grund eingefleischter Denkgewohnheiten beurteilt und mit Hilfe überkommener Apperzeptionsformen und Bewußtseinskategorien erfaßt werden und wie sich allmählich ein den Gegebenheiten besser entsprechender Stil der Darstellung – ähnlich wie im Bereich der Technik und der Naturwissenschaften – durchzusetzen beginnt. Die noch in Italien entstandene Storia letteraria delle scoperte geografiche (1937) enthält bereits alle wesentlichen Elemente der ,neuen‘ Orientierung. Olschki, der den Gang der Forschung seit langem verfolgt, wendet sich – im Zeichen der gaya scienza – zugleich auch wieder althergebrachten Themenkomplexen zu“ (Baum, 1989, 190).

Drüll, HGL 1803–1932, 1986, 196–197; Richard Baum, „Leonardo Olschki u. die Tradition der Romanistik“, in: Christmann/Hausmann, Deutsche und österreichische Romanisten, 1989, 177–199 (Schrift.-Verz. 191–199); Strobach-Brillinger, ebd., 310–312; Ettore Brissa, „Le patrie di Leonardo Olschki“, in: Giovanardi/Stammerjohann, I Lettori, 1996, 91–98; Dörner, La vita spezzata, 2005; Sellin, „Romanistik“, 2006, 435–437; Maas, Verfolgung u. Auswanderung, 2010, I, 555–558.