Lotheißen (Lotheissen), Georg Wilhelm Philipp Karl Ferdinand

Aus Romanistenlexikon
Version vom 22. Mai 2016, 18:25 Uhr von Bohmann (Diskussion | Beiträge)

(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Georg Wilhelm Philipp Karl Ferdinand Lotheißen [auch: Lotheissen] (20.5.1833 Darmstadt – 19.12.1887 Wien); Sohn des späteren Darmstädter Hofgerichtspräsidenten Friedrich Lotheissen (1796–1859) u. der Sophie Kröncke (1809–1872), Tochter des Rheinbauinspektors Claus Kröncke (1771–1843)

Verf. Frank-Rutger Hausmann

1851 Abitur Gymn. Darmstadt; 1851–56 Stud. Klass. Philol. Göttingen, Berlin u. Gießen; 14.3.1856 Prom. (Klass. Philol.) Gießen; 1856 Examen pro facultate docendi; 1858–63 Gymnasiallehrer Büdingen; danach Aufenthalt in Genf, Frankreich u. Italien, wo er als Lehrer an Erziehungsinstituten bzw. journalistisch tätig war; 1870 auf Wunsch Rudolf von Iherings zum Aufbau des österr. Realschulwesens nach Wien geholt; 1871 Habil. Wien f. franz. Literaturgesch.; 1872 gemeinsam mit Adolf Mussafia Vorstand des neu gegründeten Seminars f. franz. u. engl. Sprache; 1881 ao. Prof. Die Wiener Univ. ehrte ihn nach seinem Tod mit einem Reliefporträt (1, Universität, Arkadenhof) von Hans Bitterlich; in Grinzing findet sich die nach ihm benannte Lotheißengasse.

Literatur u. Gesellschaft in Frankreich zur Zeit der Revolution 1789–1794. Zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Wien 1872; Studien über John Milton’s Leben u. poetische Werke, Büdingen 1860; Geschichte der französischen Literatur im 17. Jahrhundert, 4 Bde., Wien 1877–1884; 21897; Molière. Sein Leben u. seine Werke, Frankfurt a. M. 1880; Königin Margarethe von Navarra. Ein Cultur- u. Literaturbild aus der Zeit der französischen Reformation, Berlin 1855; Zur Sittengeschichte Frankreichs. Bilder u. Historien, Leipzig 1885; Zur Culturgeschichte Frankreichs im XVII. u. XVIII. Jahrhunderte mit einer biographischen Einleitung von Anton Bettelheim, Wien 1889 (P).

„Dahin [=die Bücher, die seinen Ruhm begründeten] rechnet vor allem seine ,Geschichte der französischen Litteratur im XVII. Jahrhundert‘, 1878–84 in vier starken Bänden hervorgetreten, in 2. Auflage 1897 nach des Handexemplars Besserungen und Ergänzungen in 2 Bände zusammengefaßt: dies ungemein lebendige Gemälde der Epoche des roi soleil in ihrem Classicismus beweist tiefgründige Studien und darf getrost mit an der Spitze der Schilderungen des siècle de Louis XIV. stehen. Nach Entstehung und Inhalt fällt zwischen die Hälften dieses ausgezeichneten Handbuchs die ,im Rahmen der Zeitgeschichte‘ ausgeführte Monographie ,Molière. Sein Leben und seine Werke‘ (1880), überaus flüssig trotz aller Eindringlichkeit und Einzelheiten, die hinten Anmerkungen und Register ausweisen; mit Recht reiht sie A. E. Schönbach in seiner weitverbreiteten Anleitung ,Ueber Wesen und Bildung‘ unter die mustergültigen Biographien. ,Zur Sittengeschichte Frankreichs. Bilder und Historien‘ (1885) ist ein Sammelband von zehn vorher seit 1873 in Journalen gedruckten, hier bisweilen beträchtlich erweiterten Beiträgen zum französischen Geistes- und Gesellschaftsleben des 17. und 18. Jahrhunderts. Nachdem 1885 sein erwähntes packendes Buch über Margarethe von Navarra in der Musterserie des Berliner ,Allgemein. Vereins‘ für deutsche Litteratur erschienen, fing L. an, aus seinen Collegienheften eine ,Culturgeschichte Frankreichs im 17. und 18. Jahrhundert‘ für eine so betitelte Sonderschrift herauszuziehen. Deren allein vollendete Eingangscapitel vereinigt mit fünf culturhistorischen Aufsätzen obiger Art und einem über ,Voltaire im Dienste der Humanität‘, dem Bruchstück der von Genf her ihm vor Augen stehenden Biographie des ihm so sympathischen Aufklärungsapostels, der stattliche Band ,Zur Culturgeschichte Frankreichs im XVII. und XVIII. Jahrhundert. Aus dem Nachlasse von F. L.‘ (1889)“ (Fränkel, 1906, 91).

HSchA Nr. 06658; Moritz Necker, Ferdinand Lotheißen, Wien (1897); Ludwig Julius Fränkel, ADB 52, 1906, 87–93; ÖBL 5, 1972, 329–330; Theresia Mayerhofer, Der Lehrkörper der Philosophischen Fakultät von 1848 bis 1873, Wien 1982, 166f.; Pauer, „Die Wiener Romanistik“, in: Tanzmeister, Zeichen des Widerspruchs, 2002, 63; Kössler, Personenlexikon.