Jauß, Hans Robert

Hans Robert Jauß (12.12.1921 Göppingen – 1.3.1997 Konstanz); Sohn eines Volksschullehrers aus Wangen b. Göppingen

Verf. Frank-Rutger Hausmann

Romanische Philologie

1932-39 Gymn. Esslingen u. Realgymn. Geislingen; Kriegsfreiwilliger; Eintritt in die Waffen-SS; bei Kriegsende Hauptsturmführer; 13.11.1945 Imm. U. Bonn; 17.12.1945-2.1.1948 Internierung; 16.10.1948 Immatr. f. Stud. Gesch., Philos., Literaturwiss. Heidelberg; 1953 Prom. (Gerhard Hess) ebd.; 1957 Habil. (Hess); 1959 o. Prof. Münster; 1961 o. Prof. Gießen; 1966 o. Prof. Konstanz; 1987 em.; 1967/68 GProf. Zürich; 1968/68 Berlin; 1973 Columbia U NY; 1976 Yale New Haven (Rufablehnung); 1978 Sorbonne; 1982 Leuven; 1983 Berkeley; 1965 Los Angeles; 1986 Princeton; 1986 Madison; Dr. phil. h. c. U Iaşi. [Die Diskussion um Jauß’ SS-Vergangenheit flammte 2013 erneut auf].

1980 o. Mitgl. Akad. d. Wiss. Heidelberg; Mitgl. Academia Europaea; Accademia dei Lincei; Ehrenmitgl. Ungarische Akad. d. Wiss.; Ehrenvorsitz. DRV;.

Antrittsreden, 2009, 516-520 (Autobiogr. setzt erst 1948 ein)

Mithrsg. Klass. Texte d. Rom. MAs, 1962f.; Grundriß d. Rom. Literaturen d. MAs, 1962f.; Theorie u. Gesch. d. Lit. u. d. Schönen Künste, 1963f.; Poetik u. Hermeneutik, 1964f.

Zeit u. Erinnerung in Marcel Prousts „A la recherche du temps perdu“, Heidelberg 1955 (Diss.), Untersuchungen zur mittelalterl. Tierdichtung, Tübingen 1959 (Habil.-Schr.); Genèse de la poésie allégorique française au Moyen Age, Heidelberg 1962; Charles Perrault, „Parallèle des Anciens et des Modernes“, München 1964; Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft, Konstanz 1967 [=Antrittsvorl.]; Kleine Apologie der ästhetischen Erfahrung, Konstanz 1972; Ästhetische Erfahrung u. literarische Hermeneutik, Frankfurt a. M. 1977; Die Alterität u. Modernität der mittelalterlichen Literatur, München 1977; Theorie der Rezeption, Konstanz 1987; Studien zum Epochenwandel der ästhetischen Moderne, Frankfurt a. M. 1989; Wege des Verstehens, München 1994; Die Theorie der Rezeption. Rückschau auf ihre unerkannte Vorgeschichte, Konstanz 1998.

„Mit der Antrittsvorlesung Literaturgeschichte als Provokation distanziert sich Jauß programmatisch von den vorherrschenden Literaturtheorien der 1960er-Jahre, wobei hauptsächlich die ,werkimmanente Schule‘ von W. Kayser und E. Staiger, die positivistische Einflussforschung, die lukacssche Widerspiegelungstheorie und nicht zuletzt die ,genussfeindliche‘ Seite der Kritischen Theorie Adornos gemeint waren. Sie werden als Vertreter eines hegelianischen Kunstbegriffs kritisiert, der den Text als ,sinnliche Erscheinung der Idee‘ auf Eindeutigkeit festlegt. Durch die sich an absoluten Kategorien wie ,Bedeutung‘, ,Weltanschauung‘, das ,Wahre‘, ,Mimesis‘, ,Negativität‘ orientierende Textanalyse werden Vieldeutigkeit oder Polysemie der Totalität geopfert. Die Rezeptionsästhetik hingegen soll mit ihrem dialogischen Kunstbegriff die Aufdeckung der Polysemie eines Werkes leisten, ,die sukzessive Entfaltung eines im Werk angelegten, in seinen historischen Rezeptionsstufen aktualisierten Sinnpotentials‘“ (Giacomuzzi-Putz, 2011, 1247).

Nerlich, „Romanistik u. Antikommunismus“, 1972, 305-312; Earl Jeff Richards, „Vergangenheitsbewältigung nach dem Kalten Krieg. Der Fall Hans Robert Jauß und das Verstehen“, Germanisten. Z. schwedischer Germanisten 1, 1997, 28-43; Gabriele Müller-Oberhäuser, in: Nünning, Lexikon, 309-310; Stackelberg, Die Überwindung der Fremdheit, 2007, 162-164; Internationales Archiv f. Sozialgeschichte d. deutschen Lit. 1, 2010; Renate Giacomuzzi-Putz, in: Helmut Reinalter / Peter J. Brenner, Lexikon der Geisteswissenschaften. Sachbegriffe – Disziplinen – Personen, Wien 2011, 1246-1249; Siegmund Kopitzki, „Eine Vergangenheit, die nicht vergehen will. Gerd Zahners Theaterstück über den Romanisten Hans Robert Jauß reißt zwischen amtierenden und ehemaligen Angehörigen der Universität Konstanz neue Gräben auf“, Südkurier, 25. Januar 2015; Jens Westemeier, Hans Robert Jauß 12.12.1921 Göppingen-01.03.1997 Konstanz. Jugend, Krieg und Internierung. Wissenschaftliche Dokumentation, Geiselhöring, im Mai 2015.

Zuletzt geändert am 15. Juni 2016 um 10:14