Groethuysen, Bernhard

Aus Romanistenlexikon
Wechseln zu: Navigation, Suche

Bernhard (Bernard) Groethuysen (9.9.1880 Berlin – 17.9.1946 Luxembourg); Sohn des Sanitätsrats Philipp Groethuysen

Verf. Frank-Rutger Hausmann

Philosoph; Soziologe; Übersetzer

Schulbesuch Baden-Baden; 1898 Abitur; Stud. Philos., Nationalökon. u. Kunstgesch. Wien u. Berlin; 1904 Prom. (Carl Stumpf) Berlin; 1907 Habil. (Wilhelm Dilthey) ebd.; 1907 PDoz. 1907; bei Kriegsausbruch in Paris, wurde er von 1915-19 in Châteauroux u. Déols interniert; 1924-39 maßgeblich an den Dekaden von Pontigny beteiligt; 1926-27 LA Deutsche Hochschule f. Politik, Berlin; Mitarb. d. Leibniz-Komm. d. Preuß. Akad. d. Wiss.; 1931 nb. ao. Prof. 1931 FWU Berlin; 1932 Übersiedelung nach Paris; 1938 franz. Staatsbürger; 1938 Aberkennung d. Lehrbefugnis in Deutschland.

Hrsg. Bibliothèque des Idées, 1927f.; Mitgl. im Redaktionskomitee von Commerce sowie der NRF.

Das Mitgefühl. Kapitel I, Berlin 1904 (Teildr. d. Diss.), Leipzig 1904; Die Entstehung der bürgerlichen Welt- u. Lebensanschauung in Frankreich. Bd. I: Das Bürgertum u. die katholische Weltanschauung. Bd. II: Die Soziallehren der katholischen Kirche u. das Bürgertum, Halle a. S. 1927 u. 30.

„G.s unkonventioneller Denkstil ließ sich in den ideologischen Konstellationen der europäischen Nachkriegsgesellschaft nur schwer verorten. War G. wirklich ein ,Kommunist strikter Observanz’, wie Jean Paulhan behauptete, war er tatsächlich ein ,Bewunderer Heideggers’, wie Jean Wahl meinte, und schließich: war G. […] ein deutscher oder ein französischer Denker, gab er seine Heimat preis oder wahrte er im Grunde seines Herzens nicht doch eine ,deutsche Eigenart’? G.s Schriften, soviel war klar, bereiteten Kopfschmerzen, wie es in lobenswerter Offenheit Hans-Martin Lohmann gestand. Die Mühe einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit G.s Werk auf sich zu nehmen, fand sich erst eine jüngere Generation bereit. Ihre Suche nach unverbrauchten Denktraditionen ließ sie seit 1968 in Deutschland und Frankreich auch auf die Schriften G.s stoßen. Dessen unorthodoxer Denk- und Sprachstil geriet seit den siebziger Jahren auf französischer Seite als Alternative zu den Meisterdenkern von Marxismus und Strukturalismus in den Blick, auf deutscher Seite als eine von professoraler Rhetorik und bloßer Gelehrsamkeit wohltuend freie geistige Attitüde. Das Interesse hielt jedoch weder in Frankreich noch in Deutschland langfristig an. Erst in den letzten Jahren ist G.s Werk in Frankreich – diesmal vor allem in literaturhistorischer Perspektive – wieder in den Bick geraten, in Deutschland scheint es hingegen – nach anfänglichem Interesse – erneut dem Vergessen anheimzufallen” (Große Kracht, 2002, 5-6).

M. Staub, in: Jahn, Biograph. Enzyklopädie deutschsprachiger Philosophen, 2001, 148; Klaus Große Kracht, Zwischen Berlin u. Paris: Bernhard Groethuysen (1880-1946). Eine intellektuelle Biographie, Tübingen 2002 (Schrift-Verz. 301-306).