Pulgram, Ernst
Ernst Pulgram (18.9.1915 Wien – 17.8.2005 auf Ferienreise in Irland); Sohn des Kaufmanns Sigmund Pulgram
Verf. | Frank-Rutger Hausmann |
Romanische Philologie, bes. Historische Linguistik, Phonetik, Phonologie, vorlateinische Sprachen Italiens, romanische Sprachen generell
Realgymn. Wien; 1934 Matura; 1934-38 Stud. Rom., Klass. Philol. u. Phonetik Wien; 1938 Prom. (Wolfgang v. Wurzbach) Wien; 1938 Emigration in die Schweiz; 1 Sem. Stud. Zürich; 1939 Atlanta, USA; 1946 Ph. D. (Joshua Whatmough) Harvard (1947 nostrifiz. als Dr. phil. Wien); 1946 Instructor of French Harvard; 1946-48 AssistProf. of French and German Union College, Schenectady N.Y.; 1948 AssistProf. Univ. of Michigan Ann Arbor; 1951 AssocProf.; 1956 Professor of Romance Languages and Classical Linguistics Michigan; 1979 Hayward Keniston Distinguished Professor of Romance and Classical Linguistics Univ. of Michigan; GProf. 1956/57 Florenz, 1970 Köln, 1972 Heidelberg, 1975 Regensburg, 1977 Wien, 1982 International Christian U Tokio, 1983 Innsbruck, 1987 München.
1951 Henry Russel Award (Michigan); 1951-52, 1959-60 Fellow American Council of Learned Societies; 1954-55, 1962-63 Guggenheim Fellow.
Hrsg. Current Issues in Linguistic Theory (Amsterdam); Mithrsg. MGS.
Mitgl. Linguistic Association of Canada and USA (1977-78 Vice-President, 1978-79 President); Intern. Phonectis Soc.
Italic and Romance. Linguistic Studies in Honor of Enrst Pulgram, ed. by Herbert J. Izzo, Amsterdam 1980 (Schrift.-Verz. IX-XVIII).
Das französische Theater in Lessings Hamburgischer Dramaturgie, Wien 1938 (Diss.), masch.; The Tongues of Italy. Prehistory and History, Cambridge Mass. 1958; Introduction to the Spectrography of Speech, Den Haag 1959; Syllable, Word, Nexus, Cursus, Den Haag 1970; Latin-Romance Phonology: Prosodics and Metrics, München 1975; Italic, Latin, Italian. 600 B.C. to A.D. 1260. Texts and Commentaries, Heidelberg 1978; Praticing Linguistics. Essays on Language and Languages 1950-1985, Vol. I: On Language, Heidelberg 1986.
„P. ist vielleicht der offensivste Europäer unter den US-Emigranten: Anders als SPITZER argumentierte er nicht vom Ressentiment her, sondern zeigte auf einem methodischen Niveau die Begrenztheit bzw. theoretische Unbedarftheit von wissenschaftlichen Strömungen, die versuchen, gewissermaßen aus der Fachgeschichte herauszuspringen. Er war methodisch offen und praktizierte souverän die Instrumente der strukturalen Entwicklung: auf dieser Ebene ließ er auch die jüngsten Entwicklungen zu einer formalen Modellierung bei der sprachlichen Beschreibung gelten (s. seine ausführliche Kritik an Chomsky bzw. der generativen Grammatik). In der Tradition von HUSSERL und BÜHLER aber kritisierte er scharf jede Form der Materialentgleisung, die methodisch-technische Konstrukte mit realistischen Ansprüchen außersprachwissenschaftlicher Art befrachtet und damit de facto die Möglichkeiten zu empirischem Forschungsfortschritt dogmatisch beschränkt: so bei den deskriptiv-strukturalistischen Homogenitätsannahmen nicht anders als bei dem Realismus in der vergleichenden Rekonstruktion oder dem Kognitivismus der generativen Grammatiker; das biographische Trauma wird deutlich, wenn er den latenten Terrorismus und Rassismus dogmatischer Positionen stigmatisiert. Daß er sich dabei nicht einfach auf eine europäisch-deutsche Position zurückgezogen hat (wie es bei SPITZER der Fall war), zeigt seine vielleicht noch schärfere Kritik eben dieser Tradition, wie sie im Deutschland der Nachkriegszeit konserviert wurde, ohne mehr als oberflächliche Retouchen und ohne Auseinandersetzung mit den methodologischen Weiterentwicklungen […]“ (Maas, 2010, I, 605-605).
Christmann / Hausmann, Deutsche und österreichische Romanisten, 1989, 312-313; Kürschner, LH 2, 1994, 737-738 (P); G. Sard, Obituary Univ. of Michigan, The University Record online 10.10.2005 (P); Maas, Verfolgung und Auswanderung, 2010, 598-605.