Katharina Niemeyer (17.2.1962 Köln – 4.7.2018 Hamburg), Tochter einer Ärztin und eines Professors der Archäologie
Verf. | Frank-Rutger Hausmann |
Romanische Philologie, bes. Hispanistik (Literaturwissenschaft)
1981 Stud. Rom. (Span., Port.) u. Philos. Köln, Hamburg u. Sevilla (WS 1983/84); 1986 MA Hamburg; 1990 Prom. Hamburg (Klaus Meyer-Minnemann); 1991-99 Hochschul-Ass.in Iberoamerikanisches Forschungsinstitut Hamburg; 2000 Habil. Hamburg; 2001/02 Vertretung Prof. Hisp. u. Lusitanistik Frankfurt a. M.; 2002 Prof.in span. Literaturwiss. Köln (Nachfolge von Christian Wentzlaff-Eggebert); seit 2005 Programmbeauftragte für die Intern. Studien- u. Ausbildungspartnerschaft (ISAP) Köln-Universidad de Guadalajara; Prof.in im Programa de doctorado con mención de calidad Historia, Literatura y poder. Procesos interétnicos y culturales en América, Univ. Sevilla.
La poesia del premodernismo español, Madrid 1992; Subway de los sueños, alucinamiento, libro abierto: La novela vanguardista hispanoamericana, Madrid 2004.
„Ihre 1992 erschienene, in spanischer Sprache verfasste Dissertation erinnerte an die heute weithin vergessene Lyrik des sogenannten ‹premodernismo›, der führenden spanischen Dichterschule des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Entgegen der herrschenden Forschungsmeinung legte Katharina Niemeyer überzeugend dar, dass die Lyriker des ‹premodernismo› nicht als Wegbereiter des weitaus bekannteren ‹modernismo› der Jahr-hundertwende, sondern vielmehr als Vertreter konservativer ästhetischer Normen und damit als Gegenspieler der von Frankreich ausgehenden Moderne zu lesen sind. Diese These konnte sie in einer Reihe eingehender, teils kontrastiver Gedichtinterpretationen erhärten, bei denen sie häufig auch schwer zugängliche Erstdrucke und Rezeptionsdokumente miteinbezog. Damit gelang ihr ein umfassendes Panorama der spanischen Lyrik um 1900, die viel stärker als bis dahin angenommen im Zeichen der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen stand.
Auch in ihrer 2004 veröffentlichten, wiederum auf Spanisch verfassten Habilitationsschrift widmete sich Katharina Niemeyer einem wenig erforschten Gebiet, dem hispanoamerikanischen Avantgarderoman der 1920er und 1930er Jahre, der lange im Schatten des regionalistischen Romans der gleichen Periode stand. An Hand eines umfangreichen Textkorpus konnte sie belegen, dass sich der zu Weltgeltung gelangte hispanoamerikanische Roman der zweiten Jahrhunderthälfte nicht nur aus europäischen und nordamerikanischen Quellen speist, sondern ebenso auf eine einheimische Tradition modernen Erzählens bezieht. An Textbeispielen aus verschiedenen Regionen des Subkontinents verfolgte sie die allmähliche Verselbständigung dieser Tradition gegenüber transatlantischen Modellen, bis hin zum hochgradig autoreferentiellen Romanwerk des Argentiniers Macedonio Fernández, dem literarischen Mentor von Jorge Luis Borges.
Ein dritter Forschungsschwerpunkt von Katharina Niemeyer lag auf dem spanischen Schelmenroman des Siglo de Oro. Nicht von ungefähr war ihre Kölner Antrittsvorlesung der Komik im Don Quijote gewidmet. An dem von ihrem akademischen Lehrer Klaus Meyer-Minnemann und ihrer langjährigen Hamburger Kollegin Sabine Schlickers herausgegebenen Handbuch La novela picaresca, das 2008 erschien und rasch zu einem Standardwerk narratologisch informierter Renaissance- und Barockforschung wurde, hatte sie mit ihren Beiträgen zu Mateo Alemán, zu Cervantes und zur weiblichen Pikareske maßgeblichen Anteil. 2014 edierte sie zusammen mit Pedro Piñero den wichtigsten barocken Schelmenroman, Mateo Alemáns Guzman de Alfarache, im Rahmen einer neuen Gesamtausgabe dieses spanisch-mexikanischen Autors“ (Wolfram Nitsch).
Wolfram Nitsch, „Nachruf auf Frau Prof. Dr. Katharina Niemeyer (1962-2018) (romanistik.de/aktuelles/3344).